Schwarz-Pink – Gold! Sieg für das Olympia-Girl der Herzen

Welcher Zusammenhang könnte zwischen diesen schwarzen Tretern mit den pinken Applikationen und den Sandalen in Gold bestehen?
Richtig, sie symbolisieren das Ende einer abenteuerlichen Reise: Angela Buhl ist nach ihrer Fahrrad-Tour um die Welt, zuletzt in acht Monaten von Vancouver bis Panama und Lima „endlich“ wohlbehalten in Rio angekommen.
Wer am Samstag das olympische Straßenrennen von Rio angeschaut hat, kann sich vorstellen, welche Berg- und Talbahn da nach dem ultraflachen argentinischen Chaco in Brasilien selbst noch zu bewältigen war. Es scheint, als ob die Brasilianer extra die Straßen auf ihre Hügel (Zuckerhüte, Corcavados und ähnliche) rauf und auf der anderen Seite wieder hinunter bauen – statt außen herum. Mehrfach sind die Felgenbremsen von Angelas Radl heiß gelaufen, damit ihr nicht das gleiche Schicksal passierte wie dem Führungsduo des olympischen Rennens (die sind bei der Abfahrt im Graben gelandet).
Dafür hat kurz vor dem Ziel noch der Blues (webandsail.de hatte es hier angedeutet) zugeschlagen. Angelas Gedanken waren längst in Rio angekommen, als da noch einge hundert Kilometer zu radeln waren. Was mag wohl kommen, wenn die Tour zu Ende ist? Zwei Jahre lang hatte sie nur ein Fernziel: Nach Rio radeln, möglichst rechtzeitig für Olympia ankommen, um da Philipp zu unterstützen, der im Laser um die Medaillen segeln will.
Eine Erkältung hatte sich ihrer bemächtigt, zwang sie eine Woche vor dem Ziel zu einer Pause. Das kennt jeder: Wochenlang hat man vor Zeitdruck oder positivem Stress keine Zeit für solche Wehwehchen, aber mit dem Erreichen des Ziel, der Fertigstellung einer Aufgabe schlagen Virus und Baktus wie auf Knopfdruck zu. Angelas Kopf war schon im Ziel, bis Rio standen nur noch ein paar, wenngleich körperlich anstrengende, aber kaum mehr abenteuerliche Etappen (also im Vergleich zu den „Drahtseil-Akten“ durch die Anden, über Salzseen, durch Eisenbahntunnels etc.) bevor.
Zwei Tage war sie aus dem Verkehr genommen, schniefte einige Papierrollen voll – konnte sich da aber Gedanken über das „Danach“ machen. Das Ergebnis des Nachdenkens: „Warum Angst haben vor der Zukunft? Ich muss doch einfach nur das machen, was ich für die Reise ja schon wusste: Es kommen lassen. Ich stecke mir mein Ziel. Doch den Weg dorthin kenne ich nicht. Ich lasse einfach Tag für Tag kommen und so wird er sich schließlich definieren. Im Nachgang, nicht im Voraus.“

Von da weg strampelte sie wie eine Olympiasiegerin an der brasilianischen Küste entlang gen Osten, um Rio just in time zu erreichen. Erstaunlich, wie sich in den eindreiviertel Jahren auf zwei Rädern die Rahmenbedingungen immer wieder genau so einstellten, wie sie gebraucht wurden. Ob das versteckte Plätze waren, um das Zelt aufzuschlagen, ein Tankstelle mit Shop, Dusche und Dach oder die von Mama besorgten und irgendwo nach Südamerika geschickten Ersatz-Schläuche von Schwalbe oder Reparaturflicken von TipTop, oder die Schutzengel, wenn es galt, Gefahren der Straße oder von Mitmenschen abzuwehren, und die Erkältung, um die Gedanken vor dem Finale zu sortieren – und zuletzt noch eine spontane Party. Das kam so: Angela suchte in einem Küstenort nach einer Pension (Pousada heißen die Brasilien, so eine Art B&B). Kilometerlang hatte sie schon Ausschau gehalten, aber nichts gefunden. Plötzlich hörte sie den Ruf einer Frau, die diesen suchenden Blick in Angelas Gesicht „durchschaut“ hatte. Sie habe ein Zimmer. Doch Angela müsse noch ein halbes Stündchen warten und mit ihr so lange ein Bier trinken – die Wohnung war gerade vom Unwetter Tage zuvor geflutet worden und noch nicht ganz fertig gereinigt. Aus dem einem Bierchen wurden ein paar, begleitet von ein paar Cachaças (für die Leser unter 18: das ist brasilianischer Zuckerrohrsaft). Die Gastgeberin schmiss eine Fetzen-Party mit dem engsten Freundeskreis, grad lustig war’s! Mit nur zwei Worten kommentierte Angela am Tag danach die vorzeitige Abschlussparty umfassend genug: „Meine Herrn!“
Zwei Tage später war Angela Buhl am Ziel: Eine Nebenstraße irgendwo in Rio, wo sie schon von Schwester Coletta und Papa Buhl erwartet wurde. Die letzten Meter des Weges waren gesäumt von Schleifen in Pink (der Lieblingsfarbe von Angela). Papa und Schwestern standen mit einem Transparent am Straßenende: „Hola Rio – Welcome Angi!“ Wenn das kein Empfang war!
„Was für ein Gefühl! Nach all den gesammelten Erfahrungen und Fünfundzwanzigtausend gefahrenen Kilometern am anderen Ende der Weltkugel anzukommen und von deinem Zuhause empfangen zu werden. Ich war einfach nur glücklich!”, schrieb sie in ihrem Blog.
Überglücklich lagen sich Schwestern und Vater in den Armen, tags darauf drückte sie auch Bruder Philipp Buhl ans Herz, der ja für die Wahl des Zieles ihrer Radltour um die ganze Welt ursächlich war.
Hinter Angela Buhl lagen in rund 400 Tagesetappen 25.753 Kilometer in einer reinen Radlzeit von 1.749 Stunden. Dabei absolvierte sie 220.314 Höhenmeter.
C H A P E A U !!!

Nur zwei Tage blieben Angela, um sich von ihren Radltretern zu verabschieden und neue Sandalen – in Gold ! – zu kaufen. Die Tickets für die Eröffnungsfeier für sie und ihre Schwester hatte Philipp besorgt. Habt ihr sie gesehen, im Stadion bei der Feier? Sie saßen da, wo Philipp immer so wild hingewunken hatte. Dort waren die zwei Mädels – leicht zuerkennen an ihren Dirndln, Coletta in Rot, Angela in Goldgelb.
Jetzt ist ihr Bruder dran, sich sportlich zu profilieren: „Und an dieser Stelle übergebe ich nun das Feuer der Leidenschaft für persönliche Träume an meinen Bruder“, schrieb Angela am Ende des letzten Reisberichts, der schon über 2200 Mal angeklickt wurde: „Philipp: Mach fertig!“

Ja Philipp, mach fertig! Wir werden nun dich täglich verfolgen, auf dem Laser statt einem Radl.

Bei Angela bedanken wir uns ganz herzlich für den Mut, diese Reise anzugehen, durchzustehen – und uns täglich daran teilhaben zu lassen. Schön, dass dieses Vorhaben erfolgreich beendet wurde – und trotzdem schade, dass es nun Vergangenheit ist. Deine Berichte werden uns fehlen, als Gutenacht-Lektüre muss jetzt wieder was klassisches herhalten (dem fehlt aber schon die Spannung, ob es heute wieder was neues zu lesen gibt. Bei einem Buch sieht man genau, wann es „gar“ ist).
Hola Rio, hola Angela! Mast- und Schotbruch, Philipp!
vg

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08.08.2016 09:57 Alter: 8 yrs