Kieler Woche Teil 2 final: Deutsche segeln in Medal Races abwärts. Sieg nur bei 470er-Damen

 

Medal Races sind im allgemeinen immer noch eine Problemzone der deutschen Segler. Nur bei den 470er-Damen behielten Frederike Loewe und Anna Markfort (VSaW Berlin) die Nerven und waren die einzigen deutschen KiWo-Sieger. Auf Rang drei und damit zu Bronze segelten bei den 470er-Damen Fabienne Oster/Anastasiya Krasko (NRV Hamburg). Bei den Herren fuhren Diesch/Autenrieth mit einem unglücklichen Rennen vom Treppchen runter – auf Platz vier, also noch innerhalb ihres selbst gesteckten Zieles. KiWo-Silber holten im Nacra17 Jan Hauke Erichsen/Ann Kristin Wedemeyer. Den einzigen ersten Platz für GER in einem Medal race segelten im 49er Schmidt/Böhme, die aber ohne Chancen aufs Podium waren.

 

Sonst war der Abschlusstag ein Tag der Australier: Die große Segelnation (immerhin ein Kontinent, der nicht in Nationen aufgeteilt ist) präsentierte sich zur Kieler Woche in Hochform. Mit zwei Goldmedaillen und einmal Bronze in den acht vor Schilksee gesegelten olympischen Disziplinen stehen die Crews aus Downunder auf Platz eins der Nationenwertung. Ebenfalls zweimal Gold fuhren die Italiener ein, während sich das German Sailing Team, die deutsche Nationalmannschaft, durch die Erfolge im 470er der Frauen (Gold und Bronze) und den zweiten Rang bei den Mixed-Katamaranen sowie Rang drei in der Nationenwertung freuen durfte.

 

470er Frauen

Ein perfekt kalkuliertes Finale führte Frederike Loewe/Anna Markfort (Greifswald) noch zum Kieler-Woche-Sieg im 470er. Nachdem die Europameisterschaft vor einem Monat vor Monaco durch eine unverschuldete Kollision enttäuschend jenseits aller Top-Ten-Hoffnungen geendet hatte, entschädigten sie sich nun mit diesem Erfolg. Rang zwei im Medal Race führte das junge Duo, das gerade der Junioren-Klasse entwachsen ist, auf Platz eins – punktgleich vor den Polinnen Agnieszka Skrzypulec/Irmina Mrozek Gliszczynska. Und mit dem dritten Platz durch Fabienne Oster/Anastasiya Krasko (Hamburg) wurde der deutsche Erfolg komplettiert. „Das ist optimal für uns gelaufen. Wir mussten am Start aufpassen, dass wir von der Konkurrenz nicht abgestellt werden. Das hat gut geklappt, und ab der ersten Tonne konnten wir das Feld kontrollieren“, berichtete Anna Markfort. Ihre Steuerfrau ergänzte: „Wir mussten uns mit den direkten Konkurrenten gar nicht direkt matchen. Als wir beim Start in Luv von ihnen wegkamen, konnten wir sie von weitem beobachten.“ Wie der Kampf um Platz eins verlief auch der Fight um den Bronzerang aus deutscher Sicht perfekt. „Wir wussten, dass wir alles geben müssen und haben auf Platz eins im Medal Race gezielt“, sagte Anastasiya Krasko. An der ersten Bahnmarke lag das Duo zwar noch auf Platz drei, legte dann aber richtig los: „Wir haben eine Böe gesehen, haben dorthin gehalst und sind auf den ersten Platz gefahren“, so Fabienne Oster. Die gebürtige Ukrainerin Krasko strebt in den kommenden Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft an, um gemeinsam mit ihrer Steuerfrau eine Olympia-Kampagne für den DSV angehen zu können.

Nadine Böhm und Ann-Christian Goliaß (DTYC) segelten auf Rang sechs. Drei weitere deutsche Damen-Teams kamen auf die Plätze 8, 10 und 11.

 

470er Männer

Im Kampf um die Kieler-Woche-Medaillen in Silber und Bronze der 470er mussten die Athleten nicht nur Wind und Welle im Blick haben, sondern auch die Gegner, ohne dabei den Rechenschieber aus der Hand zu legen. Denn an der Spitze war mit Gold für Mathew Belcher/Will Ryan (Australien) zwar alles geklärt, dahinter ballte sich aber das Feld der Podiumsanwärter. Entsprechend verlief das Rennen: Während Belcher/Ryan nach mäßigem Start beständig und unbeeindruckt von den Gegnern durch das Feld bis auf Rang eins des Medal Races fuhren, belauerten sich dahinter die Konkurrenten. Munter ging es in der Blitztabelle auf und ab – mit Abwärtstrend für die Deutschen. Simon Diesch/Philipp Autenrieth (Württembergischer YC/Bayerischer YC) hatten einen guten Start, wurden dann aber beständig durchgereicht. Platz acht im Medal Race hieß schließlich Gesamtrang vier. Enttäuscht reagierte das württembergisch-bayerische Team: „Wir haben zu viele Fehler gemacht.“ Denn mit zwei dritten Plätzen und einem Laufsieg war das ursprüngliche Ziel (Top-5) natürlich nach oben geschraubt worden. Doch mit Rang vier in Kiel wären Diesch/Autenrieth vorher zufrieden gewesen. Jetzt geht es mit Rückenwind zur WM nach Griechenland.

Kieler-Woche-Silber holten sich die Russen Pavel Sozykin/Denis Gribanov (WM-Dritte von 2015) vor den Japanern Daichi Takayama/Kimihiko Imamura. Das zweite deutsche Team, Malte Winkel/Matti Cipra (Schwerin), wurde Sechster.

 

Nacra17

Die Konstellation an der Spitze der Mixed-Katamarane sprach vor dem Finalrennen klar für die Österreicher Thomas Zajac/Barbara Matz. Das Medal Race verlief zunächst wie die vier Tage zuvor. Zajac/Matz duellierten sich mit Jan Hauke Erichsen/Ann Kristin Wedemeyer (Flensburg), erst dahinter folgte mit Respektabstand der Rest der Flotte. Als dann ein paar Böen einfielen, war das Geschehen schnell entschieden. Zajac/Matz hatten ihr Sportgerät stets unter Kontrolle, viele Verfolger arbeiteten sich im Rodeo-Stil über die Bahn. Und die Flensburger kämpften mit der Anlegelinie zur Luvmarke, kamen somit als Tagesdritte und Gesamt-Zweite ins Ziel. „Die Layline lag auf der rechten Kursseite in der Badezone. Deshalb mussten wir überlegen, ob wir es riskieren, die Schwerter abzufahren oder lieber zwei Wenden mehr zu fahren. Das hat uns zwar Platz zwei in dem Rennen gekostet, aber die Silbermedaille gesichert“, berichtete Erichsen.

Für die deutschen Crews gab es neben Silber für Erichsen/Wedemeyer vor den Russen Maksim Semenov/Alina Shchetinkina auch noch Platz vier für Alica Stuhlemmer/Tom Heinrich (Kiel).

 

Laser Standard

Der ehemalige Vize-Weltmeister Philipp Buhl (SC Alpsee Immenstadt) war aus Sicht der deutschen Olympia-Equipe ein ganz heißes Eisen, um einen weiteren Kieler-Woche-Sieg in den Olympia-Klassen zu schmieden. Doch der Allgäuer, der ab und zu in Kiel wohnt, fand am Start nicht den Weg durch die Konkurrenz hindurch, segelte mit seinem direkten Konkurrenten (der gesamtführende Este Karl-Martin Rammo) auf die falsche Seite und hatte auch an der ersten Bahnmarke das gesamte Feld vor sich. Buhl fand überhaupt nicht in das Rennen, und während er sich am Ende des Feldes ein Privatduell mit Rammo lieferte, schoben sich ganz andere in die Top-Position. Francesco Marrai (Italien) kletterte von Platz vier noch auf eins – vor Rammo und dem Briten Jack Wetherell. Für Buhl blieb nur der enttäuschende Gesamtrang sechs.

 

49erFX

Nicht überzeugen konnten die beiden deutschen Damen-Teams im Medal Race der 49erFX. Immer wieder waren sie am Tampen des Feldes – die Musik spielte vorne. Und während Tina Lutz/Susann Beucke (Prien/Strande) nach dem Zieldurchgang als Achte klar war, dass das nicht fürs Podium reicht, gratulierte das Kieler Woche-TV live zu Bronze. Dumm nur, dass die Ergebnisse bei SAPSailing nicht stimmten: Das Medal Race war nur einfach gewertet. Erst eine Viertelstunde später kam die Korrektur: Rang vier für Lutz/Beucke.

Freuen durften sich stattdessen die Kroaten Enia Nincevic/Petar Cupac, die als Zweite in der Abschlusswettfahrt noch den Sprung auf das Podium schafften. Souverän an der Spitze agierten die Britinnen Charlotte Dobson/Saskia Tidey, die mit dem Sieg im Medal Race alles im Gesamtranking klar machten vor den Olympiazweiten Alexandra Maloney/Molly Meech (Neuseeland). „Es war sehr drehend und sehr böig, da war es sehr schwierig zu segeln. Wir hatten einen guten Start, aber es konnte immer alles passieren“, sagte Dobson.

 

49er

Wie man ein Medal Race spannend macht und doch gewinnt, zeigten aus deutscher Sicht einzig Justus Schmidt/Max Boehme (Kiel). Allerdings war ihr Abstand zu den Medaillenplätzen zu groß, um noch auf das Podium zu springen. Sie verbesserten sich „nur“ auf Rang sechs.

Die in dieser Wettfahrt knapp geschlagenen Australier David Gilmour/Joel Turner waren ohnehin nicht mehr von Platz eins zu verdrängen. Daher reagierten sie auch sehr gelassen, als Schmidt/Boehme ihnen kurz vor dem Ziel die Vorfahrt nahmen. Auf einen Protest verzichteten die Australier und waren schließlich sehr überrascht, dass sie in derart souveräner Manier die Kieler Woche gewonnen haben. „Wir werden in den kommenden Wochen noch einige Regatten in Europa segeln“, so David Gilmour. Er ist übrigens der Sohn von Matchrace-Legende Peter Gilmour – und war vor ein paar Jahren auch schon einmal als Jungspund beim Match Race Germany in Langenargen.

Beste Deutsche in der Gesamtwertung waren schließlich die Olympiadritten Erik Heil/Thomas Plößel (Kiel) auf dem vierten Platz hinter den Polen Lukasz Przybytek/Pawel Kolodzinski und dem zweiten australischen Team, Will und Sam Phillips.

 

Laser Radial

Ein siebter Platz im doppelt gewerteten Medal Race hatte für Silvia Zennaro (Italien) keinen Einfluss mehr auf ihren ersten Kieler-Woche-Gesamtsieg. Sie dominierte in den Tagen zuvor. Eine Ergebnisveränderung gab es nur dahinter. Die Türkin Ecem Guzel fuhr durch den Sieg im Medal Race noch auf Platz zwei und verdrängte ihre Landsfrau Nazli Caga Donerta auf den Bronzerang. Für Svenja Weger (Kiel) blieb es bei Platz zehn.

 

Finn

Wie sehr eine schlechte Platzierung im Medal Race schmerzen kann, musste der Schwede Max Salminen feststellen. Als Führender war er in die Entscheidung gestartet, doch der Griff zu Gold ging komplett daneben. Am Ende reichte es nicht einmal mehr zu Silber oder Bronze – Salminen musste sich mit Platz vier begnügen. Mit dem Fokus auf den vor dem Medal Race punktgleichen Esten Deniss Karpak ging der Blick für den Rest des Feldes verloren. Der Norweger Anders Pedersen gewann das Rennen, Nenad Bugarin (Kroatien) wurde Zweiter. Damit schoben diese beiden sich noch auf die Plätze zwei und drei. Karpak reichte schließlich der fünfte Rang im finalen Rennen zum Goldgewinn. Salminen, als Achter im Ziel, fehlte ein Punkt zum Bronzerang.

 

420er

Mit den drei Rennen des Abschlusstages mussten die bis dahin führenden Deutschen Daniel Göttlich/Linus Klasen (Berlin) den Platz auf dem Podium noch räumen. Sie fuhren ihre schlechtesten Ergebnisse der Serie ein und rutschten auf Platz vier. Telis Athanasopoulos Yogo/Dimitrios Tassios entführten den Sieg von Kiel aus nach Griechenland. Platz zwei ging an die Franzosen Enzo Balanger/Gaultier Tallieu, und die Position als beste Deutsche übernahmen noch die Rostocker Lennart Kuss/Paul Arp auf Rang drei.

 

J/70

Nach einem missglückten Start in die Kieler Woche agierte die Eckernförder J/70-Crew um Jens Marten sehr souverän. Mit vier Siegen in den acht Wettfahrten erarbeiteten sich die SCE-Segler 18 Punkte Vorsprung vor Gordon Nickel von der SV Wilster. Für Marten und die SCE-Crew hat der Kieler-Woche-Sieg gleich noch eine andere Bedeutung: Denn die J/70-Klasse segelte vor Kiel ihr zweites Regionalliga-Event, und mit dem Sieg steigt der SCE als Regionalliga-Meister direkt in die 2. Bundesliga auf.

 

DSV-Kommentar

Aus Sicht des Deutschen Segler-Verbandes war die Kieler Woche trotz der deutlich schwächeren Bilanz als vor einem Jahr (als wegen Rio die KiWo eher ein Regional-Event war) ein Erfolg: „Das Feld war stärker als vor einem Jahr. Deshalb sind wir insgesamt zufrieden. Gerade der Erfolg bei den 470ern ist wichtig für das Selbstvertrauen. Denn die Crews fahren jetzt zur WM nach Thessaloniki“, sagte Nadine Stegenwalner, die Sportdirektorin des DSV.

pm/vg

 

 

Die Ergebnisse sind hier

 

 

 

 

Ein perfekt kalkuliertes Finale führte Frederike Loewe/Anna Markfort (Greifswald) noch zum Kieler-Woche-Sieg im 470er © Kieler Woche / okPress

Mit dem dritten Platz durch Fabienne Oster/Anastasiya Krasko (Hamburg) wurde der deutsche Erfolg komplettiert © Kieler Woche / okPress

25.06.2017 20:33 Alter: 7 yrs