YES: Bayerns Nachwuchs dominiert

63 Wettfahrten an drei Tagen – Anderssohns vorsichtiges gelungenes Comeback – Laura Schewe und Julian Hoffmann nicht zu stoppen
 


Erst Sturm, dann zwischendurch Flaute mit strahlendem Sonnenschein und ein versöhnliches Ende im Regen. Zwei Tage Westwind, dann ein Tag Ostwind mit Welle: Die Young Europeans Sailing (YES) haben alle Facetten des Segelsports geboten. Insgesamt absolvierten die Aktiven bei der Kieler Woche des Nachwuchses an den drei Pfingsttagen 63 Wettfahrten in sieben Disziplinen. „Das Wetter hat uns herausgefordert, aber die Serie nicht gefährdet. Wir konnten überall so viele Wettfahrten einfahren, dass alle Kriterien inklusive eines Streichers und der Einteilung in Gold- und Silberflotte für den YES-Titel, die Deutschen Junioren Meisterschaften und die Ausscheidung für die Youth Worlds erfüllt wurden“, zeigte sich Organisationsleiter Dirk Ramhorst zufrieden. Die Absage an die Europes und die Piraten mangels Meldungen sei ein kleiner Wermutstropfen, der aber vielleicht die Klassen wachrüttle. „Ansonsten zeigt die Meldezahl, dass die Entscheidung, sich auf die Nachwuchsklassen zu konzentrieren, der richtige Weg war und ist“, so Ramhorst.

Einem stürmischen Auftakt mit einer Wettfahrt in allen Disziplinen (außer Nacra 15) folgte ein „Frühstart“ (um der angekündigten Nachmittagsflaute auszuweichen) am sonnigen Sonntag mit drei bzw. vier Wettfahrten für Nacra 15 und 29er, um dann am Montag mit 22 Wettfahrten die YES bei Regen harmonisch zu beenden. Die 640 Aktiven aus 16 Ländern und die begleitenden 100 Trainer erlebten eine vielseitige Nachwuchsveranstaltung mit verdienten Siegerinnen und Siegern. „Wir haben an allen drei Tagen die richtigen Entscheidungen getroffen, weil die Wettervorhersagen auch exakt eintrafen“, freute sich der Oberste Wettfahrtleiter Stephan Giessen.

Die deutsche Ausscheidung zu den 49. Youth Sailing World Championships in Gdynia (Polen) in den Klassen Laser Radial und 29er sowie die Deutsche Juniorenmeisterschaft im Laser Radial der Frauen und Laser Standard der Männer werteten die Young Europeans Sailing einmal mehr auf.

In spannenden Wettfahrten sicherten sich im Laser Radial/W Theresa Wierschin (Greifswald), im Laser Radial/M Julian Hoffmann (SC Alpsee Immenstadt), im 29er/M Jonas Schupp/Moritz Hagenmeyer (Diessener Segel-Club), im 29er/W Elena Krupp/Clara Borlinghaus (SV Wörthsee/Münchener YC) die Tickets für die Youth Sailing Worlds des Weltsegler-Verbandes (world sailing) vom 13. bis 20. Juli.

Bereits vorher hatten sich Theresa Steinlein/Lina Plettner (Bayerischer Yacht-Club) im 420er/W, Kristian Lenkmann/Philip Hall (Bayerischer Yacht-Club) im 420er/M (beide Crews aus der DSV-Jugendnationalmannschaft) sowie Silas Mühle (HSC), Sohn von Thomas Friese, und Levke Möller (YC Warnemünde) im Nacra 15 qualifiziert. Damit stellen die Bayern den Großteil des Youth-Worlds-Teams, allein Theresa Wierschin (Akademischer Segelverein zu Greifswald) und Silas Mühle/Levke Möller (Hamburg/Warnemünde) ergänzen das „bayerische“ Team.

Die abschließende Entscheidung über die Meldung trifft DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner nach Abstimmung mit dem Ausschuss für Nachwuchsförderung (AfN) und dem Bundesstützpunktleiter Hendrik Ismar.

Mit Julian Hoffmann im Laser Radial, Theresa Steinlein/Lina Plettner und Kristian Lenkmann/Philip Hall im 420er sowie Silas Mühle (mit neuer Vorschoterin) im Nacra 15 vertreten sechs Aktive nach 2018 zum zweiten Mal die DSV-Farben bei der Nachwuchs-WM des Weltverbandes.

Strahlender Gesichter gab es in Kiel vielfach aus vielen verschiedenen Gründen.

In der olympischen Klasse Laser Standard sicherte sich Leonard Stock (Wind und Welle, Schwedeneck), Vorjahresvierter im Laser Radial, gleich im ersten Anlauf im Laser Standard YES-Titel und Deutsche Junioren-Meisterschaft. Der 18-jährige Arendseer lebt seit 2017 im Sportinternat Kiel und kennt das Revier vor seiner neuen Haustür. Vom Laser 4.7 über den Laser Radial (noch im Vorjahr) folgte der Wechsel in den olympischen Laser Standard. Auch der Endspurt von Nico Naujock mit zwei ersten Plätzen konnte Stock nicht mehr gefährden. Hinter den beiden landete der Däne Kenneth Frederiksen vor dessen Landsmann Johan Schubert auf Platz drei. Fünfter wurde Umsteiger Philip Walkenbach (Potsdam). Stock, Naujock und Walkenbach heißen auch die ersten Drei der Deutschen Junioren-Meisterschaft.

Im olympischen Laser Radial standen jedoch nicht nur die Ergebnisse im Vordergrund: keine Schmerzen bei ziemlich Hack, Platz eins mit großem Vorsprung – Hannah Anderssohn war über Pfingsten ihr Glück anzusehen. Nach 540 Tagen ohne Regatta war Kiel eine Erlösung, auch wenn sich die 19-jährige Warnemünderin großen Zielen nicht verschließt. Nach diesem langen verletzungsbedingten Ausfall wird nun von Regatta zu Regatta gedacht. „Wenn irgendetwas kneift und wehtut, steht eine Pause an“, so Franziska Goltz. Die Laser-Radial-Juniorentrainerin vom Olympia-Stützpunkt Kiel ist nicht nur der Coach, sondern auch die Vertraute. „Ganz oben steht die Gesundheit. Daher haben wir am Sonntag auch die dritte Wettfahrt ausfallen lassen“, so Goltz. Auch am Montag nahm Hannah Anderssohn nur an der ersten Wettfahrt des Tages teil. Der Körper hatte der Jugend-Weltmeisterin von 2017 in den letzten Jahren immer wieder einen Strich durch die Karriere gemacht. Zuletzt war es eine Meniskusverletzung mit anschließender Operation und langer Reha. Doch die Warnemünderin, die als eines der größten deutschen Segeltalente im Einhandbereich gilt, hat sich durchgebissen. Rang 14 mit zwei nicht gesegelten Wettfahrten ist zweitrangig. „Ich bin absolut zufrieden mit der Regatta. Ich habe erreicht, was ich wollte. Unkontrollierte Bewegungen muss ich noch vermeiden und auf dem Vorwindkurs bin ich noch nicht konkurrenzfähig“, so Anderssohn. Sie blicke jetzt von Regatta zu Regatta, betont die Warnemünderin. Doch es wäre nicht Hannah, wenn der Blick am Ende nicht doch Richtung Olympia gerichtet wäre. „Im nächsten Jahr die Ausscheidung mitsegeln, wäre toll, und dann vielleicht Richtung 2024“, so die 19-Jährige.

Das Feld vor Kiel beherrschte Lokalmatadorin Laura Schewe. Sie gewann sowohl die YES-Wertung als auch die DJoM. Mit zwei Tagessiegen am Sonntag und einem Tagessieg sowie einem zweiten Platz am Montag war sie nicht zu schlagen. „Es hätte nicht besser laufen können. Es hat sich auch irgendwie souverän angefühlt“, erklärt die Kielerin. Die Kieler Woche werde zeigen, wie es in internationaler besetzten Feldern läuft“, so Schewe.

In der YES-Wertung folgen auf den Plätzen zwei und drei Vorjahressiegerin Lena Haverland (Schwerin) und Pia Kuhlmann (Wunsdorf). In der DJoM-Wertung folgen Schewe Theresa Wierschin (Greifswald) und Julia Büsselberg (Berlin) auf den Plätzen. Die in Warnemünde wohnende Greifswalderin sichert sich damit als Gesamt-Fünfte auch das deutsche Ticket für die Youth Worlds vor ihrer Jugendnationalmannschafts-Kollegin Lina Fischer (Kiel) mit fünf Punkten Vorsprung. „Eigentlich sind wir in der Jugendnationalmannschaft alle gleich gut. Wer die beste Serie erwischt, gewinnt“, beschreibt Theresa Wierschin die Situation kollegial. „Heute hatten wir Welle, wie ich es in Warnemünde häufig habe. Das war wohl mein Vorteil. Und es ist ein echt gutes Gefühl“, erklärt die Sportstudentin, die mit ihrem Heimtrainer Roberto Güldenpenning gleich die Laser verstaute. Einer geht jetzt Richtung Gdynia.

Mit freiem Kopf und ohne Druck segelte Constanze Stolz in die Top Ten. Es sei keine Solokarriere geplant, so Stolz. Die Düsseldorferin, die in den vergangenen Jahren zusammen mit Anna Anderssohn im 470er segelte, trat vor Kiel im Laser Radial an, während Anna sich mehr um das Rahmenprogramm kümmerte. Tatsächlich fordert zurzeit der berufliche Werdegang die Hauptzeit, so dass der Segelsport zurückstehen muss. Platz neun entspricht dann auch dem momentanen Aufwand. Nach der Masterarbeit ist vielleicht wieder mehr Zeit fürs Hobby.

Deutschlands Nummer Eins, Svenja Weger, hatte als eine der Letzten am Freitag gemeldet, musste dann aber wegen Fiebers Samstag und Sonntag pausieren. Am Montag unterstrich die Berlinerin mit den Platzierungen eins und zwei, was sie kann.

Im Laser Radial der Männer dominierte Julian Hoffmann. Der 17-Jährige aus dem Verein Segelclub Alpsee Immenstadt gewann damit zum dritten Mal nacheinander die YES Regatten. 2017 im Laser 4.7, dann zweimal im Laser Radial. Und wie im Vorjahr sicherte sich der amtierende Deutsche Meister und Deutsche Jugendmeister das Ticket zu den Youth Worlds. 2018 errang Hoffman in den USA im Laser Radial-Jahr Platz neun. Vor Gdynia soll im Juli mehr herausspringen.

Aber die Konkurrenz ist in Deutschland noch härter geworden und setzt Hoffmann unter Druck. Ein neuer Konkurrent ist aus dem Laser 4.7 aufgestiegen: Mewes Wieduwild (16 Jahre). Der Opti-Europameister von 2016 (bei 290 Teilnehmern aus 46 Nationen) wechselte nach zwei Jahren im Laser 4.7 in den Laser Radial. Im Vorjahr gewann Wieduwild (Wind und Welle, Schwedeneck) im Laser 4.7 die YES, segelt damit auf den Spuren von Julian Hoffmann und belegte Rang zwei in der Gesamtwertung der YES. Nur sieben Punkte hinter Hoffmann war er bis zur letzten Wettfahrt auch im Rennen um das Youth-Worlds-Ticket. Doch Hoffmann war mit vier ersten Plätzen, einem zweiten Platz und einem Frühstart zu souverän und erlaubte sich keinen zweiten Ausrutscher.

Aus der deutschen Jugend-Nationalmannschaft ist Roko Mohr (Wind& Welle, Schwedeneck), der im Vorjahr Platz zwei in der U17-Wertung der Deutschen Jugendmeisterschaft belegte, in Schlagweite. Mohr belegte hinter dem Dänen Christian Winkler Platz vier.

„Ich hatte natürlich den Vorteil, dass ich länger Radial segle“, so Hoffmann, der sich nur auf seine zweite Youth Worlds freut. „Man kennt jetzt die Formalien, hat etwas WM-Erfahrung, aber Gelassenheit würde ich es nicht nennen“, erklärt der 17-Jährige, der sich lieber viel Wind wünscht. Eine bessere Platzierung als in den USA 2018 mit Rang neun sei schon das Ziel.

Ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten sich Finn Walter/Marcus Borlinghaus (Münchener YC) und Jonas Schupp/Moritz Hagenmeyer (Diessener SC) im 29er. Am Ende hatten die Diessener den Bug vorn und sicherten sich neben dem Youth-Worlds-Ticket auch den YES-Titel. „Wir wussten ja vor dem letzten Rennen, dass wir es geschafft haben. Mit zwei Frühstarts hatten Finn und Marcus keine Chance mehr“, so Jonas Schupp. Natürlich überwiege die Freude, aber die Trainingspartner täten ihnen schon leid, so die Youth-Worlds-Teilnehmer. „Eigentlich legen die beiden immer einen Frühstart hin, aber zwei waren eben zu viel“, so Moritz Hagenmeyer.

Florian Steurer/Moritz Fiebig (Augsburger SC) belegten in der YES-Wertung hinter den Dänen Jens-Christian Dehn-Toftehöj/Mads Flugbjerg Rang drei.

Als Gesamtsechste, beste Frauencrew und damit startberechtigt für Gdynia sind Elena Krupp/Clara Borlinghaus (SV Wörthsee/Münchener YC).

Valentin Müller/Ole Ulrich (BYC/NRV) belegten Rang 20 im Feld der 63.



Im Nacra 15, der kleinen Schwester des olympischen Nacra 17, traten 24 Crews auch acht Nationen an. Dabei wurden die Favoriten aus Frankreich ihrer Rolle gerecht. Auf den ersten vier Rängen drängen sich die Vertreter der Trikolore: die WM-Bronzemedaillengewinner Thomas Proust/Julien Moutarde vor Margaux Billy/Leo Maurin, Armand Clabon/Lou Berthomieu und Logan Viciana/Mathieu Choquet.

Die deutsche Crew Jesse Lindstädt/Lisa Maria Rausch (HSC) rutsche von Platz vier auf Platz sechs. Trotz eines Sieges in der vierten Wettfahrt und eines dritten Platzes im letzten Rennen war Jesse Lindstädt nur bedingt zufrieden. „Wir können nur mit der letzten Wettfahrt am Sonntag zufrieden sein, ansonsten lief es nicht rund“, so der Sohn des erfahrenen Katamaran-Seglers und Nacra-Händlers Sven Lindstädt. Die Nacra 15-Flotte zieht jetzt mit der European Super Series weiter von Kiel zu den Swiss National Championships in Genf (Schweiz), den French Championships in Brest (Frankreich) und den Belgium Youth Championships, bevor die Nacra 15 World Championships in Marseille (Frankreich) die Nacra 15-Saison in Europa beenden.

Bei der verkappten süddeutschen Meisterschaft im 420er setzten sich die Überlinger Jonathan Steidle/Leonardo Honold an die Spitze. Mit fünf Siegen ließen die beiden keine Zweifel an ihrem Können aufkommen und gewannen souverän. Auf den Plätzen folgen Florian Krauss/Jannis Sümmichen (Seeshaupt/Chiemsee) und die beste Mädchen-Crew Theresa Steinlein/Lina Plettner (Bayerischer Yacht-Club), die Deutschland bei der Youth World vertreten wird. Ihre Vereinskollegen vom Bayerischen Yacht-Club, Kristian Lenkmann/Philip Hall, die auch das Ticket nach Gdynia gelöst haben, wurden Vierte.

Der Sieg im Laser 4.7 geht nach Rottach. Oliver Sanders setzte sich gegen Bendix Mayer (Konstanz), Batbold Gruner (Ganderkesee) und Ole Schweckendiek (Kiel) durch. Sanders und Mayer gehören zur Nachwuchstruppe von Peter Ganzert. Der Nachwuchstrainer aus Baden-Württemberg ist mit sieben Nachwuchsseglern im Laser 4.7 nach Kiel gereist. „Die Zusammenarbeit mit Bayern ist natürlich perfekt, so haben wir immer starke Trainingsgruppen“, so Ganzert.


Die YES 2020 finden vom 30. Mai bis 1. Juni statt.

 

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Bereits qualifiziert: Th. Steinlein/L. Plettner und K. Lenkmann/Ph. Hall © Ilja Wolf

S. Steinlein/O. Hausmann vor K. Lenkmann/Ph. Hall © Ilja Wolf

Jonas Schupp/Moritz Hagenmeyer (Diessener SC) setzten sich im 29er durch. Die Bayern fahren zur Youth Worlds und holten die YES-Titel © okpress

19.06.2019 10:19 Alter: 5 yrs