Vendée Globe: Isabelle Joschke gibt auf - zwischen Paradies und Hölle

Gestern mittag (Samstag, 9.1.21) noch berichtete Isabelle Joschke (MACSF) von ihren bisherigen Erfahrungen nach 61 Tagen beim Vendée Globe - und nachts kam die Meldung, dass sie aufgrund eines fortschreitenden Schadens an ihrem Canting-Kiel aufgeben muss - rund 5800 Seemeilen vor dem Ziel.

„Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass unsere Boote so brutal sind“, sagte sie gestern noch. Fast jeden Tag musste sie mit einem neuen Schaden kämpfen, kämpfte aber als beste Frau ständig im Bereich um Platz zehn herum, war immer dran am „Peloton“ der Verfolger hinter den zwei, drei Spitzen-Booten. Bei der Passage von Kap Hoorn hatte sie sich noch kurzzeitig wie im Paradies gefühlt. Doch danach ging es mehr auf Halbwind oder Amwindkursen weiter. Da wurde die Fahrt der foilenden IMOCAs so ruppig, dass an Schlaf kaum mehr zu denken war. Zwei Stunden in der Summe pro Nacht - das ist dann doch zu wenig.
Schon vor ein paar Tagen hatte die Hydraulik für den Kipp-Kiel ihren Geist aufgegeben. Joschke fixierte den Kiel in der mittleren, neutralen Stellung mit einem anderen Hydraulik-Zylinder. Doch auch diese Vorrichtung zerbrach nun bei Wind von 30 bis 35 Knoten. Ob das Ganze mit einem weiteren Zusammenstoß mit einem unbekannten Objekt zusammenhängt, blieb offen. Entnervt musste die Deutschfranzösin ihre Aufgabe bekannt geben - nachdem sie drei Viertel des Rennens super dabei war und zuletzt an 11. Stelle lag. Sie segelt immer noch an der Eisgrenze, mittlerweile in der nächsten Starkwindzone - etwa 1000 sm von der Küste Südamerikas entfernt.

Eine Bravourleistung hat vor kurzem auch die Britin Pip Hare („Medallia“) geschafft. Der Schaft eines der beiden Ruderblätter war kaputt - und musste gegen das Reserve-Ruderblatt ausgetauscht werden. Zwar hatte sie das zwei Wochen vor dem Start in Les Sables schon einmal geübt - aber im ruhigen Wasser des Hafens. Nun wartete sie eine Pause im Sturm am Südpolarmeer ab, um den Tausch zu bewerkstelligen. Denn das Ruderblatt ist hohl - und drängt mit Auftrieb nach oben - muss aber nach unten aus der Halterung heraus! Mit Taljen und sogar der Ankerkette werkelte sie zwei Stunden herum, bis es endlich geschafft war. Bei bewegtem Wasser muss das Ruderblatt kerzengerade unter der Führung sein, sonst verkeilt es sich ständig. Yeesssss - brüllte sie dann in die Leere der wilden Wasserwüste hinaus. Bis alles vorbereitet und nachher wieder aufgeräumt war, das Segel für die Aktion geborgen und wieder gesetzt, waren kraftraubende Stunden vergangen. Sie spüre jede Faser ihres Körpers, habe rundherum blaue Flecke und wisse nun von Muskeln, deren Existenz sie vorher nie wahrgenommen habe. Bei ihrem Technik-Team und den früheren Skippern des 20 Jahre alten Bootes hatte sie sich vorher schlau gemacht, wie sie dieses verfluchte Ruderblatt auswechseln könne. Und alle sind stolz darauf, dass sie es geschafft hat. Wir auch.

An der Spitze liegt an Tag 62 des Rennens immer noch Yannick Bestaven (Maitre Coq IV) mit 205 dem Vorsprung vor Charlie Dalin (APIVIA) und Damien Seguin (Groupe Apicil). Bestaven hat eine Zone mit leichtem Gegenwind genau vor dem Bug. Die beiden direkten Verfolger dümpeln jedoch in der südlicheren Schwachwindzone bei nur 6 bis 8 kn SW-Wind. Dafür haben alle drei bereits wieder 24 Grad warmes Wasser unter dem Kiel und 21 Grad in der Luft. Da kann der Dampf von über vier Wochen Fahrt um den Südpol entweichen …
Boris Herrmann (Seaexplorer) liegt auf Rang acht, knapp 500 sm hinter dem Führenden, bei 17 kn SW-Wind - zusammen mit drei weiteren Konkurrenten im Umkreis von 10 sm.
vg

 

Das aktuellste Zwischenergebnis ist hier

Event-Homepage mit Fotos, Videos, Tracker, Virtual Regatta, usw.: https://www.vendeeglobe.org

Die Homepage von Boris Herrmann:

https://www.borisherrmannracing.com

 

 

 

 

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10.01.2021 14:36 Alter: 3 yrs